▶ DR. SYLVIA BLEZINGER
Es ging Schlag auf Schlag in Windisch. Mit der Fertigstellung des Erweiterungsbaus sind die wichtigsten Etappen für den Ausbau der Psychiatrischen Dienste Aargau abgeschlossen. Ein Erfahrungsbericht.
2016 war der liebevoll gestaltete Neubau für Kinder- und Jugendpsychiatrie als Erstes abgeschlossen, 2020 war der Neubau der Erwachsenenpsychiatrie, das Gebäude «Magnolia», bezugsfertig und 2021 folgte der Erweiterungsbau für die forensische Psychiatrie. Damit sind die wichtigsten Etappen für den Ausbau der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) in Windisch abgeschlossen. Weitere Sanierungen, zum Beispiel des historischen Hauptgebäudes, sind für 2022 geplant. Die Behandlung von psychisch schwer kranken Straffälligen stellt eine besondere Herausforderung dar. Sie verlangt eine besonders sichere Unterbringung, die weder die psychiatrischen Kliniken noch die Gefängnisse gewährleisten können. Gleichzeitig muss der Fokus auf der Behandlung der Menschen liegen. Bei schwer psychisch kranken Menschen, die in einer akuten Krankheitsphase eine Straftat begangen haben und aufgrund verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit von einem Gericht zu einer Therapiemassnahme verurteilt wurden, kann das Rückfallrisiko vor allem durch die erfolgreiche Behandlung der Störung nachhaltig verringert werden. Besonders wichtig ist daher auch, dass genügend Therapieplätze zur Verfügung stehen. In der Schweiz gibt es allerdings nur wenige darauf spezialisierte Institutionen. Die Wartelisten für geeignete hochspezialisierte Behandlungsplätze in der klinischen Forensik sind lang. Die Erweiterung der Klinik für Forensische Psychiatrie in Windisch ist daher ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der aktuellen Situation.
Das Dilemma von Neubauten von Gefängnissen und forensischen Psychiatrien ist oft, dass sie nicht «zu schön» sein dürfen. Wozu viel Geld für Straftäterinnen und Straftäter ausgeben? Sie sollen schliesslich bestraft werden. Diese Haltung ist verständlich. Auf der anderen Seite spart jede Person, die als geheilt entlassen werden kann, den Steuerzahler weitaus mehr, als investiert wurde. Eine heilende Umgebung sollte daher genauso – wenn nicht sogar noch mehr – für forensische Psychiatrien gelten wie für Gesundheitsbauten generell. Hinzu kommt, dass gerade in der forensischen Psychiatrie eine lange Verweildauer üblich ist. Oft verbringen die Straftäterinnen und Straftäter Jahre in der Einrichtung. Dabei sind psychische Schäden allein schon infolge langer Inhaftierung bekannt.
Bisher besteht die Klinik für Forensische Psychiatrie im stationären Bereich aus drei geschlossenen Massnahmestationen mit insgesamt 46 Plätzen (2 Akutstationen, 1 Rehabilitationsstation).
26 zusätzliche Plätze auf drei Stationen
Der Erweiterungsbau, der an das bestehende Gebäude angeschlossen wird, umfasst nun drei zusätzliche Stationen mit insgesamt 26 Plätzen:
❱ Sieben Plätze auf der Triagestation zur Behandlung von psychiatrischen Notfällen aus den Strafanstalten sowie zur Abklärung der Therapiemöglichkeiten bei neu eintretenden Patienten.
❱ Acht Plätze auf der Behandlungsstation zur Behandlung von Patienten, die entweder noch auf einen definitiven Massnahmenplatz warten beziehungsweise auf die Massnahmentherapie noch vorbereitet werden müssen, oder zivilrechtlich untergebrachte Patienten, bei denen aufgrund eines früheren Gewaltdelikts noch eine Rückfallgefahr besteht und die daher ein spezifisches Behandlungsangebot benötigen.
❱ Elf Plätze auf der Massnahmenstation zur Behandlung von psychisch kranken Straftätern im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Therapiemassnahme.
Vor zwei Jahren konnte ich bereits die Neubauten für Erwachsene, sowie die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Windisch besichtigen (Heime & Spitäler 3/2020). Nun ist auch der Erweiterungsbau der forensischen Psychiatrie fertig gestellt. Das Bauprojekt mit einem Volumen von über 30 Millionen Franken wurde nach zweijähriger Bauzeit pünktlich Ende 2021 bezogen. Termin- und Budgeteinhaltung ist auch deshalb eine grandiose Leistung aller Beteiligten, weil bedingt durch die Pandemiemassnahmen Liefer- und Bauverzögerungen auch in Windisch eine grosse Herausforderung waren.
Die Gestaltung des Erweiterungsbaus
Einen Tag vor der Eröffnung hatte ich die Gelegenheit, den Erweiterungsbau der forensischen Psychiatrie in Windisch zu besichtigen. Sie ist beeindruckend. Geführt wurden wir vom Leiter des Sicherheitsdienstes Miro Barp. Die Ausstattung mit den modernsten Sicherheitssystemen macht sich gleich am Eingang bemerkbar. Überall blinkt und piepst es. In der Sicherheitszentrale herrscht betriebsame Hektik. Schleusen, Metalldetektoren, Schlüsselsysteme, etc. müssen bald reibungslos funktionieren, um den sicheren Betrieb zu garantieren. Die komplett verglaste Sicherheitsloge mit vielen Monitoren, auf denen im Probebetrieb reihenweise Fehlermeldungen auflaufen, sieht aus wie aus einem Fernsehkrimi. Von hier aus werden die Schleusen gesteuert, Wärmebild- und konventionelle Kameras kontrolliert.
Wer eine forensische Psychiatrie mit grauen Betonwänden erwartet, ist erstaunt, in Windisch eine so wohnliche Atmosphäre vorzufinden. Gleich am Eingang überrascht ein breiter, lichtdurchfluteter Flur mit farbenfroher Gestaltung der Wände, die einen interessanten Kontrast zum hochwertigen Sichtbeton bilden. Die interessante farbliche Akzentuierung zieht sich durch das gesamte Gebäude. Mit viel Tageslicht wirken die Räume hell und freundlich.
Im Erweiterungsbau wurden im Hinblick auf die langen Verweildauern Gemeinschaftsräume gestaltet, die äusserst wohnlich wirken: Gemeinsame Ess- und Wohnbereiche sowie teilüberdachte Terrassen mit Tischtennisplatten und Sitzgelegenheiten sollen auch einen längeren Aufenthalt erträglicher machen und natürlich positiv auf die Heilung wirken. Auch ein Familienzimmer mit Privatsphäre ist in einem solch durchdachten Konzept enthalten. Die Sicherheitsmassnahmen sind überwiegend unauffällig gestaltet. Von den Fenstern aus sind kaum Zäune zu sehen.
Wie bei einem Neubau zu erwarten, sind nicht nur die Sicherheitsmassnahmen in hohem Grad digitalisiert. Das Kriseninterventionszimmer ist natürlich per Video überwacht, aber es gibt zudem einen «unzerstörbaren» Touchscreen zur Unterhaltung.
Eine Besonderheit des Standorts Windisch ist das riesige und sehr alte unterirdische Netz an Versorgungsgängen. Auch der Erweiterungsbau wurde an dieses Netz angeschlossen. So werden Synergien optimal genutzt.
❱ Die Besichtigung der interessanten Neubauten in Windisch ist im Rahmen der Konferenz «Die (forensische) Psychiatrie der Zukunft» am 29.–30. September 2022 möglich.
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 1 / März 2022). Den Artikel als PDF herunterladen.