▶ DR. SYLVIA BLEZINGER und DR. VOLKER BÜCHE
Wenn Gebäude und Infrastruktur in die Jahre kommen, sinkt die Effizienz und es ist ein Neu- oder Umbau erforderlich. Ziel des Auftraggebers ist, in der neuen Infrastruktur die Betriebsprozesse zu optimieren, um den Arbeitsalltag effizienter zu gestalten. Wichtige Ziele im Bauprojekt-Management sind: die Fristen einzuhalten und im Kostenrahmen zu bleiben.
Das Leistungsmodell der SIA-Ordnung 112 beschreibt die Honorare für Architekten. Darin ist der Lebenszyklus eines Gebäudes in sechs Phasen und zwölf Teilphasen gegliedert (siehe Tabelle). Mit dieser Projektmanagement-Methodik definiert die SIA die Lieferergebnisse, um den Bau in der erforderlichen Qualität und Zeit zu errichten. Für einen Neu- oder Umbau teilt der Bauherr seine Bedürfnisse dem Planer und Architekten mit. Wie ermittelt er diese? Idealerweise definiert der Nutzer seine Anforderungen an den Neubau noch vor der Phase 1, in der die strategische Planung erfolgt. In dieser «Phase 0» erarbeiten alle Entwicklungs- und Planungsbeteiligten eine gemeinsame Vorstellung. Diese dient als Projektgrundlage. Die frühzeitige Kooperation führt durch gemeinsames Wissen und gemeinschaftliches Übereinkommen zum zielgerichteten Lösungsweg. Als Folge verkürzt sich der Planungs- und Entwicklungsprozess wesentlich. Es gibt weniger Planänderungen in Phase 4. Dadurch sinken die Kosten und die Qualität steigt.
Die betriebsfokussierte Integrale Planung spielt sich hauptsächlich in Phase 3, Projektierung, ab. Diese macht über 30 Prozent der gesamten Honorarkosten aus. Sie bestimmen im Ergebnis die Gesamtbaukosten erheblich. Bei einem so komplexen Gebäude wie einem Spital beläuft sich das Gesamtbudget für einen Bau zumeist auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Einsparungen im einstelligen Prozentbereich machen mehrere Millionen aus. Es lohnt sich, auf die Phase 3 besonderes Augenmerk zu legen.
Die Nutzer sind idealerweise bereits in der Phase 0 einbezogen. Ein so früher Einbezug der Nutzer generiere überzogene Anforderungen heisst es oft. Diese Befürchtung prüfte Dr. Büche in zwei Universitätskliniken. Und fand das Gegenteil: Bei guter Moderation sind die Anforderungen beispielsweise von Pflegekräften eher kleiner als der von Beratern angesetzte Standard. Allerdings sind die Nutzer keine Planungsprofis. Die Baupläne führen bei Nutzern und Architekten nicht zu denselben Vorstellungen vom Lieferergebnis (fertiger Bau und Raum). Dies führt dazu, dass beim ersten Betreten des fertigen Baus der Ausruf zu hören ist: «So habe ich mir das aber nicht vorgestellt.»
Wie lässt sich dies vermeiden? Eine sich etablierende Planungsmethodik, das Building Information Modeling (BIM) eröffnet hier mit ergänzenden digitalen Tools neue Möglichkeiten.
BIM als Werkzeug
In Bauprojekten stehen auf der einen Seite die Nutzer (zumeist Planungslaien) und auf der anderen Seite die Planungsexperten. Es trifft die prozessbasierte «Betriebswelt» auf die abstrakte technische Planungswelt mit all ihren Vorgaben und Planungsprämissen. Dies führt in der Praxis leicht zu Missverständnissen.
Building Information Modeling ist inzwischen den meisten Bauprojekten die angewandte Planungsmethodik. Damit ist es möglich, die baudefinierenden Nutzerabstimmungen ebenfalls in diese Planungsmethodik einzubinden. Dies ist die Grundlage für eine Visualisierung, die es den Nutzern ermöglicht, die Planungen und Prozesse zu «erleben». Am Anfang war BIM Integrale Planung basiert auf dem Austausch von Dateien im Industry-Foundation-Classes (IFC)-Format. Eine «IFC-Datei» ist ein Standarddateiformat für den Austausch von Informationen zu Gebäudemodellen. Bauexperten (Architekten, Ingenieure etc.) nutzen unterschiedlichste Software zur Erstellung ihrer Planung und Modelle. Mithilfe von IFC tauschen sie ihre Informationen aus.
Für eine effiziente Gesamtplanung entsteht ein hoher Informationsbedarf zwischen den einzelnen Disziplinen. Dieser interdisziplinäre Informationsaustausch basiert auf einem weiteren Dateiformat, dem BIM Collaboration Format (BCF). Die BCF-Date dient zur Abstimmung und modellbasierten Kommunikation interdisziplinärer Inhalte in der BIM-Arbeitsweise. Alle gängigen BIM-Planungstools (Revit, ArchiCAD, Allplan, Tekla, …) und Prüfprogramme (Solibri, Tekla BIM Sigh, …) unterstützen dieses Dateiformat. Das BCF-Dateiformat ist unter diesen Voraussetzungen plattformunabhängig und eine Säule der Open-BIM-Methode.
Wenn eine Modellprüfung ein Problem aufzeigt, wird eine BCF-Datei erzeugt. Das Problem kann beispielsweise ein fehlender Durchbruch sein, welcher Ergebnis einer Kollisionsprüfung zwischen Haustechnik- und Baumodell ist. Um dieses Problem effektiv innerhalb des Planungs- und Ausführungsteams kommunizieren zu können, werden folgende Informationen zusammengefasst:
❱ Screenshot des Problems aus dem 3D-Modell
❱ zugehörige Kamera-Position im 3D-Modell
❱ textliche Beschreibung des Problems (optional)
❱ textlicher oder grafischer Lösungsvorschlag (optional)
❱ Zuständigkeit (optional)
❱ Status (z.B. erkannt, zugewiesen, ignoriert, usw., optional)
Nach BIM folgt das Computerspiel
Mithilfe von BIM konnten endlich die verschiedenen Gewerke zusammengebracht werden. Alle Gewerke arbeiten damit am selben Modell. Der nächste logische Schritt ist die Integration der Nutzer. Das Unternehmen Inspacion, ein Spin-off der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, entwickelte auf Basis dieser beiden Dateiformate eine interessante Lösung. Mit der Technik von Computerspielen werden Nutzer zu Avataren. Mithilfe von 3D-Brillen laufen sie durch das modellierte – noch nicht gebaute! – Spital. In Gruppen testen und diskutieren sie gemeinsam die neue Planung «vor Ort», im virtuellen Gebäude. Das Universitätsspital Basel (Schweiz) setzte das System bisher insgesamt fast drei Jahre ein.
Beispiel Charité
Eine Delegation eines der grössten Universitätskliniken Europas, der Charité in Berlin, liess sich in Basel das System demonstrieren. Anschliessend evaluierte sie den Markt und entschied sich für ein Pilotprojekt mit Inspacion. Dieses basiert auf einer Schulungskonzeption. Die Charité ist zukünftig in die Lage, zur Stärkung der eigenen Bestellerkompetenz eigenständig mit dem System zu arbeiten. Nach der Schulung (Technik, Moderation) erfolgte ein Coaching der Moderatorinnen mit den Nutzern. Das Ergebnis war ein auf mehreren Ebenen spürbarer Benefit für die Planungsbeteiligten.
Die Charité nutzt dieses System, um die Prozesse im geplanten neuen Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) auf Herz und Nieren zu prüfen. Bereits in der Vorplanung (Leistungsphase 2 nach HOAI), als das Gebäude gerade durchkonzipiert war, beteiligten sich die Nutzer aktiv am architektonischen Planungsprozess. Nutzerabstimmungen dauern normalerweise je nach Grösse und Komplexität mehrere Monate. Am DHZC nahmen ALLE Nutzer ALLE Protokolle ohne Änderungen nach nur wenigen Wochen an.
Nach diesem Erfolg plant die Charité nach der ersten Abstimmungsrunde im Mai 2023 noch eine zweite folgen zu lassen. Die Architekten und die Medizintechnik arbeiten zunächst die Anpassungen aus der ersten Runde in die Pläne ein. Anschliessend testen die Nutzer diese erneut in der Virtual Reality. Ziel ist jetzt nicht mehr die Optimierung der Prozesse. Ziel der zweiten Runde ist der Nachweis, dass diese im fertigen Gebäude optimal ablaufen werden sowie die Validierung der Ausstattungsplanung.
Matthias Schmidt, Geschäftsbereich Bau, Leitung Grossprojekte der Charité, sagte im Rahmen seines Vortrags an der Konferenz «Das Spital der Zukunft» in Luzern zum Planungsprozess: «Es hat vor allem auch Spass gemacht!»
Wie geht es weiter?
Die Methode BIM ermöglicht es, «Standardspitäler», «Standard-OPs» oder «Standard-IPS» zu konzipieren. Nicht, um diese 1:1 zu bauen, sondern um sie als virtuelle «Vorlage» zu nutzen. Noch gibt es keine «Vorlagen». Inspacion ist allerdings in Zusammenarbeit mit Experten bereits dabei, diese zu entwickeln. Die Idee ist reizvoll. Mit «Probeläufen» könnten Prozesse im virtuellen Standardraum getestet werden.
Betriebsfokussierte integrale Planung ist das gemeinsame Hinarbeiten auf dasselbe Ziel. Damit beim ersten Betreten des Gebäudes alle sagen können: «Genau so habe ich mir das vorgestellt».
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 5 / Dezember 2022). Den Artikel als PDF herunterladen.