Ein Spitalneubau auf der grünen Wiese hat zahlreiche Vorteile. Die Architekten sind relativ frei in der Gestaltung, der Bau kann an neue Prozesse angepasst werden. Tatsächlich aber sind viele Spitäler Altbauten in der Nähe zum Stadtzentrum. Zwar ist die Lage ein Vorteil, die Neustrukturierung und/oder Erweiterung (Bauen im Bestand) jedoch meist eine grössere Herausforderung für alle Beteiligten, wie ein Beispiel aus Deutschland zeigt.
Ein interessantes Projekt, das im Bestand aus- und umgebaut wurde, ist das St. Elisabeth Krankenhaus in Ravensburg (DE). Der Altbau aus dem 19. Jahrhundert mit 542 Planbetten, wurde im Laufe der Zeit mehrmals verändert. Durch Erweiterung der Bettenhäuser, einer neuen, grösseren Eingangshalle und einer neuen Notaufnahme soll es zu einem klar strukturierten Haus der kurzen Wege werden. Eine weitere Vorgabe des Bauherrn war, „nahe bei den Menschen zu sein“. Baubeginn war 2011, die Fertigstellung ist im September 2017 geplant. Während der gesamten Bauphase lief der Betrieb uneingeschränkt weiter. Der Ablauf umfasst folgende zeitlichen Abschnitte:
- Planungsphase (4 Jahre)
- Erweiterung (2 Jahre): lnterims-Notfallgebaude, Ringschluss
- Sanierung (4,5 Jahre): 9 Teilbauabschnitte, (Halb-) geschossweiser Umbau
- Abbruch (9 Monate): Notaufnahme, Bettenhäuser, Verbindungsbauwerk
- Neubau (6 Jahre), Haus A, C, D, Strahlentherapie, Ärztehaus
- Erschliessung (1 Jahr)
Die teuerste Baumassnahme in der Geschichte des Landkreises ist immer noch – kurz vor Projektende – sowohl im Zeitplan, als auch im Budget.
Wie geht das?
Der Erfolg wird hauptsächlich darauf zurückgeführt, dass eine ausgezeichnete Kommunikation zwischen allen Beteiligten herrschte. Diese wurde während des gesamten Baus weitergeführt. Eine interessante Idee ist das regelmässige «Baufrühstück“ für Personal und am Bau Beteiligte. Die Bürger und Patienten wurden regelmässig über aktuelle Entwicklungen und nächste Bauabschnitte informiert, über Newsletter und Pressemitteilungen sowie Informationstage vor Ort. Wichtig ist vor Beauftragung des Architekten: Die Definition von klaren Projektzielen, die Aus- und Überarbeitung des medizinischen Konzepts sowie eine sorgfältig ausgearbeitete Betriebskonzeption. Dazu gehört die abstrakte Beschreibung der Inhalte, Abläufe und Prozesse und das Erstellen eines Raum- und Funktionsprogramms. Franz Baur vom Landratsamt Ravensburg spricht von der »Tapete«. Die Planung ausgedruckt jeden Tag vor Augen zu haben war äusserst hilfreich. In Ravensburg wurde dies alles richtiggemacht: Vor Baubeginn – in der Planungsphase – wurden die Strategie und die neuen Prozesse definiert, sowie ein Betriebskonzept erstellt. Die relativ lange Planungsphase wurde durch einen zügigen Bau belohnt.
Die Vorgaben waren:
1. Klare Trennung von Besucher, Patienten und Ver- und Entsorgung
2. Synergien durch betriebliche Nachbarschaften mit kurzen Wegen
3. Struktur für Zukunftsoffenheit
Als die Rahmenbedingungen entschieden waren, hatten die Architekten weitgehend freie Hand. Auch das kann massgeblich zum Erfolg beitragen: Häufige Änderungen während der Bauphase führt zu Budgetüberschreitung, Terminverzögerung und Frustration bei allen BeteiIigten.
Erfolgsfaktoren
Die am Bau der Oberschwaben-Klinik Beteiligten nannten hauptsächlich folgende Erfolgsfaktoren:
- Kommunikation(!)
- Detaillierte Workflow Planung
- Planung, Ausschreibung und Vergabe
- Bauabwicklung
- Erfolgreiche bauliche Umsetzung
- Treffen von Entscheidungen
- Nachts bauen, tags operieren
Als einer der grossen Erfolgsfaktoren wurde ausserdem die Baustellen-Logistik genannt. Oft unterschätzt wird die Bedeutung der Signaletik der Baustelle. Der Neubau wurde im St. Elisabeth-Klinikum als Gelegenheit genutzt, die Signaletik insgesamt neu zu gestalten und diese auch gleich auf der Baustelle eingesetzt.
Es ist selbstverständlich, vor dem Bau die vorhandenen Unterlagen gründlich zu studieren. Cave: Bestandsunterlagen spiegeln nicht immer den tatsächlichen Zustand wider. Bestandserkundungen im Vorfeld sind zwingend notwendig! In Zukunft wird die Bestandsanalyse mit dem Einsatz von BIM (Building Information Modeling) hoffentlich einfacher. Vorausgesetzt die Unterlagen werden sorgfältig weitergeführt. Dennoch bleibt Unvorhergesehenes nicht aus. Flexible Reaktionszeiten und ständige Kommunikation sind wichtig.
Abschnittsweises Bauen ermöglicht Korrekturen
In Ravensburg wurde abschnittsweise gebaut. Dies hat verschiedene Vorteile:
- Korrekturen in der Planung und Anpassungen an medizinische, pflegerische oder technische Weiterentwicklungen wurden dadurch möglich.
- Erkenntnisgewinne aus Inbetriebnahmen einzelner Teilbaumassnahmen führen zu Verbesserungen in den folgenden Bauvorhaben.
- Wachstum oder Stilllegungen fliessen zeitgemäss ins Projekt.
Ergebnis ist ein kompaktes und sehr helles Gebäude mit kurzen Wegen. Kein Vorteil ohne Nachteil: Es wurde viel Glas verbaut, was die Reinigungskosten in die Höhe treibt.
Facility Management oder Architektur?
Es gibt grosse Unterschiede in der Handhabung eines Baus. Grosse Spitäler haben eine eigene Bauabteilung. Dort gibt es Architekten, die den Schwerpunkt auf die Gestaltung legen. Hat ein Haus keine eigene Bauabteilung, wird der Bau meist von der Abteilung Betrieb/FM betreut. Hier wird der Schwerpunkt eher auf Technik und Prozessen liegen. Dies zeigt sich auch in den Kosten: Die Technikkosten werden die Kosten für die Architektur übersteigen oder umgekehrt.
Es bleibt die philosophische Frage: Liegt der Schwerpunkt auf der Technik/Betrieb oder auf der Architektur/Personal? Je nachdem also, welcher Bereich beim Bau die Führung übernimmt: Architektur oder Betrieb. Ideal ist es, wenn die Beteiligten gegenseitiges Verständnis mitbringen. Zu erreichen ist dies, indem beiden Seiten grundlegende Fachkenntnisse des jeweils anderen Bereichs vermittelt werden und ein ständiger Austausch in der Planungs- und Bauphase stattfindet.
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 2 / Mai 2017). Den Artikel als PDF herunterladen.