▶ FLORIAN FELS
Für die Anbieter von Weiterbildungen ist die Coronakrise eine enorme Herausforderung. Heime & Spitäler hat sich bei grossen und kleinen, privaten und öffentlichen Anbietern umgehört: Was sich bei Careum, BFH, ETH, IKF, Dr. Blezinger und ZHAW durch die Pandemie geändert hat, welche Trends sich abzeichnen und wo die Bildungsanbieter Schwerpunkte für 2021 setzen.
Mit dem Verbot von Präsenzveranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Bildungsanbieter schlagartig auf Online-Unterricht umschalten. Das scheint ihnen insgesamt sehr gut gelungen zu sein. Ursula Bonhage, Geschäftsleiterin von Careum Weiterbildung: „Wir konnten unsere Angebote sehr rasch digitalisieren und online sowie hybrid anbieten und damit den Weiterbildungsanspruch unseres Publikums bedarfsorientiert erfüllen.“ Auch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat im Departement Gesundheit auf Onlineunterricht umgestellt: „Alle Themen und Inhalte werden online durchgeführt, soweit das möglich ist“, erläutert Regula Hauser, Leiterin Weiterbildung am Institut für Hebammen. Für Fabian Schwab, Leiter Services bei der Berner Fachhochschule (BFH), hat die erzwungene Neuorientierung Konsequenzen für die Zukunft: „Gewisse Innovationen, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, wurden durch die Pandemie zweifellos beschleunigt. Entwicklungen, welche sowieso stattgefunden hätten, wurden in höherem Tempo eingeführt. Dabei denken wir an verschiedene Formen von Unterricht auf Distanz sowie hybridem Unterricht, bei welchem ein Teil der Teilnehmenden vor Ort ist, ein anderer Teil beispielsweise in Quarantäne zu Hause. Mit solchen neuen Lernformen konnten wir in der Pandemie experimentieren und wertvolle Erfahrungen sammeln. Die damit gewonnene Flexibilität bringt neue Vorteile für die Weiterbildung von Gesundheitsfachleuten, deren Alltag häufig durch Schicht- und Wochenendarbeit gekennzeichnet ist.“
Auch die ETH Zürich zieht eine positive Bilanz: „Die Erfahrung aus den vergangenen Monaten hat uns viel gelehrt, wir kennen jetzt den Spielraum und wissen, wie wir darauf reagieren können. Wir haben erlebt, dass eine Hochschule in der Grösse der ETH Zürich in äusserst kurzer Zeit ihre Lehr- und Lernmethoden von fast reinem Präsenzunterricht auf Fernunterricht umstellen kann“, fasst Lukas Sigrist, Leiter der School for Continuing Education der ETH, zusammen. Den digitalen Lerneffekt der Bildungsinstitutionen schätzt auch Ursula Bonhage. „Der Digitalisierungsprozess war sehr aufwendig und hat viele Schulungen und direkten Support erfordert, aber er hat uns gemeinsam mit dem Publikum ein grosses Stück weitergebracht. Auch sind wir selbst inspiriert, nutzen und erweitern laufend unser Wissen und Können und setzen es um. Dies beispielsweise, wenn wir Apothekerinnen und Apotheker schulen, zur Abnahme von Covid-19-Abstrichen oder zum Impfen.“
Networking kommt zu kurz
Alle Institutionen beobachten eine steigende Akzeptanz von Online-Angeboten. Sylvia Blezinger, Inhaberin von Blezinger Healthcare, ein Unternehmen, das Fachkonferenzen mit dem Schwerpunkt Neubauten von Spitälern und Alters- und Pflegeheimen anbietet: „Die Akzeptanz von Online-Angeboten ist deutlich grösser. Schon lange hätten wir gerne Hybrid-Veranstaltungen angeboten, es gab jedoch keinen Markt dafür. Dies hat sich nun geändert.“ Gleichzeitig weist sie auf ein Problem hin, das es auch vor der Krise bereits gab: „Noch immer sind nicht alle bereit, die Leistungen ähnlich zu honorieren wie die der Präsenzveranstaltungen. Dabei ist der finanzielle und organisatorische Aufwand für Online-Veranstaltungen vergleichbarer Qualität erheblich grösser als bei reinen Präsenzveranstaltungen.“
Am Institut für Kommunikation & Führung IKF in Luzern ist die digitale Transformation seit vielen Jahren zentrales Thema der Kurse von eHealth über eLearning bis zu den Methodenkursen zur Digitalen Transformation. Die Leiterin des IKF, Andrea Belliger, kennt die Herausforderungen, die durch den Wegfall des Präsenzunterrichts entstehen: „Als Weiterbildungsinstitution vermitteln wir nicht nur Orientierungswissen, sondern bieten auch Netzwerke unter den Teilnehmenden und mit unseren internationalen Expertinnen und Experten. Das gelang bisher ganz wunderbar vor Ort. Jetzt müssen wir neue Wege finden, um den informellen Austausch und die unverhoffte Kommunikation zu ermöglichen. Hier ist unsere ganze Kreativität gefragt, um dem glücklichen Zufall – der Serendipität – auch im digitalen Raum auf die Sprünge zu helfen.“
Trends für 2021
Die ETH sieht im Weiterbildungsbereich vor allem im Bereich Digital Health beziehungsweise der Digitalisierung des Gesundheitswesens grosses Potenzial. „Durch neue technologische Errungenschaften und Entwicklungen befindet sich die Medizin in einem tiefgreifenden Wandel, welcher sowohl die Aus- als auch die Weiterbildung nachhaltig beeinflussen und verändern wird“, so Lukas Sigrist.
Für Andrea Belliger ist es klar, dass eHealth-und Digital-Health-Themen am IKF sehr gefragt bleiben. Dabei geht es aber nicht nur um Einblick in das Potenzial und die Folgen neuer Technologien oder deren Integration in Versorgungsprozesse. „Es geht vor allem auch um organisatorische Herausforderungen und Kulturthemen. Neue Kompetenzen sind gefordert. Eine zukunftsgerichtete Weiterbildung sollte neben fachlichen Inhalten auch humane Kompetenzen fördern wie die Fähigkeit zu moralischer Urteilsfähigkeit, die Fähigkeit, kritisch mitzudenken, die Fähigkeit, Strukturen, Prozesse und Haltungen immer wieder neu zu denken, die Fähigkeit zu sozialer Intelligenz und Empathie, die Fähigkeit zur Differenzierung und zur Bewältigung von Überfülle, die Fähigkeit, in heterogenen Teams zu arbeiten und die Fähigkeit, trotz räumlicher Trennung effizient zusammenzuarbeiten.“
Ursula Bonhage verweist auf die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens und auf zwei Themen, die bei Careum Weiterbildung neben dem traditionell umfangreichen und fortlaufend angepassten Ausbildungsprogramm an Bedeutung zugenommen haben. „Insbesondere ist es in der aktuellen Situation wichtig, auf das Thema von grossen Herausforderungen und Belastungen im Gesundheitswesen zu reagieren. Und ein weiteres wichtiges Thema ist die rasant voranschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen. Damit beschäftigen wir uns aktuell vertieft.“
User-Involvement
Fabian Schwab betont, dass bei den Programmen der BFH die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und späterer Weiterbildung berücksichtigt werden. „Die Weiterbildung muss heutzutage in die Karriere- und Familienplanung passen, zudem arbeiten viele Gesundheitsfachleute Teilzeit. Viele Weiterbildungsstudiengänge werden am Departement Gesundheit der BFH deshalb in Modulen angeboten. Sowohl die Master-of-Advanced-Studies (MAS), wie auch die Zertifikatsstudiengänge sind in Fachkurse unterteilt und können flexibel besucht werden. Die Inhalte werden in möglichst kompakter Form angeboten.“ Zudem will die BFH ein neues Thema künftig noch weiter ausbauen – das User-Involvement. „Wir beziehen Betroffene in den Unterricht mit ein. Damit tragen wir zur Umsetzung eines gesellschaftspolitischen Anliegens bei: Den verstärkten Einbezug Betroffener in alle Entscheidungen in der Gesundheitsversorgung und der Gesundheitspolitik.“
Bei der ZHAW konnte man in Bezug auf die Themenwahl keine Veränderungen feststellen. „Unsere Teilnehmenden planen ihre Weiterbildungen in der Regel lange im Voraus. Die Pandemie hatte aus diesem Grund kaum Einfluss auf die Wahl ihrer Weiterbildung“, berichtet Regula Hauser.
Corona an sich verändert den Grundbedarf nicht
Sylvia Blezinger ist in ihrer Beurteilung noch vorsichtig: „Trends sind im Moment seriös eigentlich nicht zu bewerten. Natürlich ist die Nachfrage nach online angebotenen Veranstaltungen gestiegen. Allerdings werden viele auch annähernd kostenlos angeboten von Unternehmen, die alles tun, nur um im Gespräch zu bleiben. Corona an sich verändert den Grundbedarf nicht. Festzustellen ist, dass es neue Themen gibt im Bereich Organisation: Neue, nun etablierte Formen der Zusammenarbeit, die vorher eine Randerscheinung waren wie beispielsweise Videokonferenzen, Homeoffice oder die Multiuserfunktion auf Sharepoint.“ Anderseits hat sie Zweifel, ob Präsenzveranstaltungen auch nach der Krise wieder gut besucht werden: „Zurzeit zeigt sich eine gewisse Müdigkeit oder auch Trägheit. Viele Angestellte haben sich im Homeoffice gemütlich eingerichtet. Ob sie wieder zu motivieren sind und wie lange dies dauert, ist im Moment nicht abzusehen.“
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 1 / März 2021). Den Artikel als PDF herunterladen.