Signaletik ist viel mehr als zum Corporate Design passende Beschilderung. Signaletik ist die gesamte Information zur Orientierung im Raum. Umwege und Ablenkung des Personals durch Fragen nach dem Weg oder durch Prozessverzögerungen kosten Heime und Spitäler jährlich Millionen.
Fragt man das Management von Heimen und Spitälern nach der Signaletikplanung, ist die Antwort oft: «Ja, das haben wir im Griff, das machen wir schon in einem sehr frühen Stadium zusammen mit der Bau- ausführungsplanung.» Ist das wirklich früh genug? Die gute Nachricht ist, dass Signaletik stärker ins Bewusstsein rückt. Die schlechte Nachricht ist, dass eine perfekte Signaletik – für alle passend – praktisch nicht zu erreichen ist. Idealerweise werden mit der Signaletik verschiedene Wahrnehmungskanäle angesprochen, so dass sich auch Menschen mit Defiziten orientieren können. Licht, Farben, Formen, Architektur, Akustik, Haptik, Gerüche und IT sind die Werkzeuge. Bei einer so komplexen Thematik ist ein Masterplan Signaletik so früh wie möglich unbedingt empfehlenswert.
Gute Signaletik beginnt mit der Entwurfsplanung
Die Architektur eines Gebäudes bestimmt in hohem Masse die Orientierung im Raum und damit die Signaletik. Im neuen Erasmus University Medical Center (Erasmus MC) in Rotterdam, Niederlande, wurden deswegen sämtliche Flure, Zimmer und Hallen mit Zugang zum Tageslicht geplant und gebaut. Das Erasmus MC wurde im April 2018 eröffnet und ist mit über 1000 Betten das grösste Spital der Niederlande. Es besteht aus zahlreichen Kliniken und Instituten, teilweise noch aus altem Bestand. Durch den Aussenbezug mit Tageslicht ist die Orientierung in diesem hochkomplexen Gebäude erheblich erleichtert. Als weitere Massnahme werden beim Erasmus MC die Personen möglichst früh «abgeholt», bevor sie sich überhaupt im Gebäude verlaufen können. Patienten haben die Möglichkeit, bereits von zu Hause aus oder an Self-Check-In-Terminals in Eingangsnähe einzuchecken. Die Terminals ähneln den Check-in-Systemen an Flughäfen. Die Patienten scannen ihre Identitätskarte und bekommen ein «Tagesticket». Auf diesem sind der Gebäudecode und das Stockwerk aufgeführt, zu dem sie sich begeben sollen. Die weitere Wegführung im Erasmus MC hat eine klare Logik: den Gebäudecode. Mitarbeitende, Patienten und Besucher betreten das Erasmus MC über einen der acht Eingänge. Von jedem dieser Eingänge finden sie ihr Ziel mithilfe eines Gebäudecodes, der Stockwerks- nummer und der Nummer ihres Zielraumes. Im Gebäude sind die Wege entsprechend beschildert. Auch diejenigen, die nicht selbst einchecken können oder wollen, werden frühzeitig in das System eingeführt: Alle Patienten erhalten den Code bereits bei der Terminvergabe. Übrigens hatte man auch im Erasmus MC Schwierigkeiten durch kollidierende Systeme im Alt- und im Neubau. Das Fazit des Erasmus MC war, dass man noch früher mit der Signaletikplanung hätte beginnen sollen.
Die Zukunft: Mehr alte und demente Menschen
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Wahrnehmung. Sehschärfe und Sehkraft nehmen ab, Farben erhalten einen Gelbstich, das Blickfeld wird enger und der Blick orientiert sich eher am Boden als an der Decke. Bei dementen Menschen kommt noch eine geistige Verwirrung dazu. Schilder sind da wenig hilfreich. Es ist vorteilhaft, wenn sich die CEO, Signaletiker und Architekten mit dieser Thematik in Zukunft intensiver beschäftigen. Wenn die kognitiven Fähigkeiten abgenommen haben, ist oft nur noch die Erinnerung an längst vergangene Zeiten präsent. Darauf reagieren bereits viele Heime und Spitäler und kennzeichnen die Zimmer nicht mehr mit Nummern, sondern mit persönlichen Bildern. Ein Büro, das sich speziell mit barrierefreier Signaletik beschäftigt (Komform GmbH), hat für das Zentrum Schönberg eine flexible Lösung umgesetzt: Türschilder mit Einschubfächern für grossformatige Bilder bieten Menschen mit Demenz mehrere Möglichkeiten zur Ich-Identifikation und erleichtern somit die Orientierung. Dieses Büro hat sich auch einer Thematik angenommen, die oft ver- nachlässigt wird: der Akustik. Im Zentrum Schönberg sind die Bilder an der Wand nicht nur eine visuelle Orientierungshilfe, sondern dienen gleichzeitig als Geräuschdämpfer.
Technische Lösungen greifbar nah
Wenn alles so kompliziert ist, warum sich dann nicht einfach mit Google Maps durch das Gebäude leiten lassen? Ein grosses Problem der IT-gestützten Signaletik in Gebäuden ist, dass GPS im Gebäude (noch) nicht nutzbar ist. Es wird zwar bereits daran gearbeitet, GPS für die Indoor-Navigation via WLAN in einem Gebäude nutzbar zu machen, es gibt aber noch keine umgesetzte Lösung. Einen ganz anderen Weg hat daher das Alice-Hospital in Darmstadt, Deutschland, gewählt: eine App mit 3-D-Navigation. Mit dieser App lässt sich der eigene Standort zwar nicht aktuell bestimmen, anhand der 3-D-Grafik und der dort aufgeführten Landmarks sowie einer roten Markierungslinie können die Nutzer sowohl ihren Standort als auch den weiteren Weg leicht nachvollziehen. Eine App, mit deren Hilfe das analoge Konzept ergänzt wird, entlastet die Beschäftigten am Empfang und auf den Stationen. Über einen Link oder einen QR-Code wird der Weg schon bei der Einladung bekannt gegeben und die Patienten können sich von daheim aus den Weg zeigen lassen. Weitere Vorteile sind zudem, dass die App verschiedene Sprachen und eine spezielle Einstellung für die Anzeige von barrierefreien Wegen bereithält.
Die Anforderungen an eine gute Signaletik und Wegleitung sind hochkomplex und vielschichtig. Weder analoge Systeme alleine noch ausschliesslich digitale Systeme werden diesen Anforderungen gerecht. Dies erfordert ein entsprechendes Budget. Nicht nur für Konzept und Ausführung, sondern zwingend auch für die Nachführung. Und das ist Chefsache.
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 1 / 2019). Den Artikel als PDF herunterladen.