Wenn heute ein Spital geplant wird, sollten Strukturen gewählt werden, welche die Entwicklungen der nächsten 20 bis 30 Jahre
zulassen. In diesen Zeiträumen – mit immer neueren Erkenntnissen – ist zu erwarten, dass sich sowohl die Bedürfnisse der Patienten, als auch die Behandlungsmethoden und die Technik verändern und weiterentwickeln. Einer der neuen Trends heisst
«Healing Architecture».
Spitalbau mit Healing Architecture
Die Investitionen in Neu- und Umbauten sind hoch. Es lohnt sich daher, in eine gründliche Planung zu investieren. Während der jährlichen Konferenz der Blezinger Healthcare zur Thematik «Strukturen des Spitals der Zukunft», im Oktober vergangenen Jahres, wurde dieses Thema ausführlich diskutiert. Spitaldirektoren und Bauverantwortliche, Architekten und Planer aus dem gesamten europäischen Raum fanden sich zusammen, um sich über die Zukunft von Spitälern und Pflegeheimen auszutauschen.
Optimierte Prozesse sind die Basis
Bei Diskussionen um Neu- und Umbauten von Spitälern und Heimen stehen bereits seit Jahren die Prozesse im Mittelpunkt. Vor einem Neu- oder Umbau eines Hauses sollten die Prozesse möglichst genau geplant und optimiert werden. Der Bau sollte sich den optimalen Prozessen anpassen und nicht umgekehrt, wie dies heute noch häufig der Fall ist. Im Rahmen eines Workshops wurde von den Konferenz-Teilnehmenden eine umfangreiche Strategieplanung erarbeitet und folgende Punkte für besonders wichtig erachtet:
- Das Ziel vor Augen haben: Struktur – Prozesse – Ziel
- Keine Ausschreibung ohne richtige Planung
- Budget, Finanzierung, Rentabilität, Politik frühzeitig in Strategieplanung einbeziehen
- Wissen teilen
Dies klingt zunächst banal, es ist jedoch interessant, wie oft diese einfachen Punkte unbeachtet bleiben und so zu hohen Folgekosten führen können.
Prof. Michael Wendt, ehemaliger Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin Greifswald (D) und einer der Tagungsleiter, plädierte ausserdem für mehr Transparenz. Führungskräfte, die das Budget und die Zusammensetzung von Ausgaben kennen, können durch Prozessoptimierung viel zum wirtschaftlichen Erfolg eines Hauses beitragen. Zumal gut durchdachte und funktionierende Prozesse auch die Qualität massgeblich steigern können. In einem zunehmend vom Wettbewerb geprägten Umfeld sind das wichtige Voraussetzungen für das Überleben eines Hauses.
Der internationale Vergleich
Es stellt sich die Frage, wie die Probleme, die im Prinzip international vergleichbar sind, in anderen Ländern angegangen werden. Im Rahmen einer Studienreise der Blezinger Healthcare im Mai 2014, wurden elf neue Spitäler in den Niederlanden und Belgien besichtigt.
Form folgt der Funktion
Das Credo der Architekten, «Form Follows Function» (Form folgt der Funktion), ist inzwischen auch im modernen Gesundheitsbau angekommen. Dazu gehört, dass ein Spital nicht mehr wie ein Spital wirken, sondern eine angenehme – und der Heilung förderliche – Umgebung bieten soll. Ein Begriff, der sich in den letzten Jahren dazu etabliert hat, ist «Healing Architecture». Dies kann schon recht einfach durch Farben (sehr eindrücklich umgesetzt im Martini Ziekenhuis in Groningen/NL) oder beispielsweise mittels modernen Design-Fussböden erreicht werden. In diesem Zusammenhang ist naheliegend, dass in den Niederlanden auch Kunst im Spital von Bedeutung ist. Im Jeroen Bosch Ziekenhuis in s’Hertogenbosch, werden sogar Kunstführungen durch das Spital angeboten.
Flexible Raumstrukturen
Beim Bau von Heimen und Spitälern wird in Zukunft besonderer Wert auf Flexibilität gelegt werden müssen. In den Niederlanden wird auf modulare Bauweise und Standardisierung bei der Immobilie gesetzt: beispielsweise Räume mit Standardraster von 30 cm, die eine Erweiterung von bis zu zehn Prozent ohne Umbau zulassen. So lassen sich die Gebäude bei geänderten Anforderungen leichter umbauen, erweitern oder einer anderen Nutzung zuführen.
Bereits bei Planung und Bau muss die zukünftig veränderte Altersstruktur berücksichtigt werden. Es ist unbestritten, dass der Anteil alter und multimorbider Patienten in nächster Zukunft zunehmen wird. Gleichzeitig hat sich der Lebensstandard gehoben und die Ansprüche an das Umfeld änderten sich. Entsprechend muss auch das Design von Heimen und Spitälern an die Bedürfnisse alter und kranker Menschen angepasst werden. Auch die historisch gewachsenen Hierarchien werden schwinden und sich an optimierte Prozesse anpassen. Dies wird sich in einer modernen, effizienten Raumstruktur widerspiegeln.
Grossraumbüros – auch für Ärzte
Zur Flexibilität gehört daher auch die Interdisziplinarität, die in Zukunft eine grössere Rolle spielen wird. Die Grenze zwischen Heim und Spital schwindet zunehmend. Darauf müssen sich sowohl die Spitäler als auch die Heime einstellen. So gibt es Überlegungen, Spitäler, die nicht mehr oder verkleinert benötigt werden, in Pflegeheime umzubauen. Etliche der neuen niederländischen Spitäler setzen bereits auf Grossraumbüros als eine Art Kompetenzzentrum – auch für Ärzte. Eindrücklich zu sehen ist dieses Modell im Orbis Medical Center in Sittard. Dadurch werden nicht nur die interdisziplinäre Kommunikation gefördert und die Kosten reduziert, sondern es wird auch die für die Zukunft so enorm wichtige Flexibilität erreicht.
Der Blick noch weiter nördlich führt nach Skandinavien. Das Gesundheitssystem ist überwiegend staatlich organisiert und steuerfinanziert, der private Bereich spielt bislang eine untergeordnete Rolle. Dahinter steht die Idee des Wohlfahrtsstaates, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben sollen. Zurzeit werden in Skandinavien die modernsten Spitäler Europas gebaut und wurden teilweise bereits in Betrieb genommen. Bis 2020 entstehen in Dänemark fünf neue Superkrankenhäuser, parallel werden elf weitere Krankenhäuser erweitert und modernisiert. Insgesamt werden in Dänemark umgerechnet fast sechs Milliarden Franken investiert. Bedeutende Krankenhausprojekte sind die Neubauten in Odense und Århus mit Investitionen in der Höhe von jeweils rund 850 Millionen.
Einzelzimmer – Struktur der Zukunft
Wie in den Niederlanden und Belgien werden auch in Skandinavien inzwischen hauptsächlich Spitäler mit Einzelzimmern gebaut. Internationale Untersuchungen zeigen, dass sich hiermit die nosokomialen Infektionsraten reduzieren und sich der Patient in einem eigenen Raum schneller regeneriert. Die Möglichkeit, dass Angehörige übernachten können, wird zudem sehr gerne genutzt. Und: Das Einzelzimmer-Konzept kann beispielsweise auch zu einer Reduzierung von Medikationsfehlern führen. Das Universitätsspital Zürich plant bereits entsprechend, andere Spitäler werden folgen (müssen), um für die Zukunft gut gerüstet zu sein.
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 1 / Mai 2015). Den Artikel als PDF herunterladen.