Fünf neue Spitalbauten in Skandinavien machen klar: Im Norden Europas gelangt erstaunlich viel IT in Einsatz. Beim Krankenhausbetrieb wird stark auf Automation gesetzt und die Patienten erhalten eine «Spital-App». Die Spitäler wurden in 3D-Modellen geplant und mittels BIMVerfahren erbaut.
Spitalbau in Skandinavien
Das skandinavische Gesundheitssystem befindet sich stark im Umbruch – mit dem Effekt, dass in Skandinavien zurzeit die grössten und modernsten Spitäler Europas entstehen. Mit einer durchschnittlichen Verweildauer im Spital von 4,5 Tagen in Dänemark, 5,5 in Schweden und 6,8 Tagen in Norwegen liegen die skandinavischen Staaten weit unter der Schweiz (9,3) beziehungsweise dem OECD-Durchschnitt (8,0). Ziel der skandinavischen Politik ist es, spezialisierte Funktionen in weniger und dafür grössere Einheiten zusammenzulegen. Im Gegenzug wird die präklinische Versorgung und lokale Gesundheitsversorgung gestärkt.
E-Health und Digitalisierung werden in Skandinavien stark vorangetrieben. Deutlich zeigt sich dies bereits in der Planungs und Bauphase. Alle Spitäler wurden in 3D mit Autodesk Revit (BIM, Building Information Modelling) geplant. Diese 3D-Modelle werden den Spitälern nach Fertigstellung übergeben und können in die hausinternen Systeme eingebunden werden. Alle Daten sind daher dem Spital auch nach Fertigstellung jederzeit zugänglich. In allen Spitälern sind fast ausschliesslich Einzelzimmer vorgesehen. Ähnlich wie in den Niederlanden wird auch hier primär als Grund die in Zukunft zu erwartenden vermehrten Resistenzen genannt. Nur für einige Patienten, die sich im Einzelzimmer unwohl fühlen, werden noch Zweibettzimmer angeboten.
Delegation reiste nach Skandinavien
Die genannten Entwicklungen sind auch für die Schweizer Gesundheitsbranche relevant. Um sich eine Eindruck vor Ort zu verschaffen, besuchte vom 13. bis 17. April 2015 eine Delegation von Spital-Führungskräften, Architekten und Planern aus der Schweiz, Deutschland und Österreich fünf
der modernsten Spitäler in Dänemark, Schweden und Norwegen.
Beispiele in Dänemark
Das neue Spital Odense University Hospital (OUH) in Dänemark (714 Betten, 52 OP, angeschlossene Psychiatrie) befindet sich zurzeit in Planung und wird voraussichtlich 2022 eröffnet (Architekturbüro White). In Einklang mit den gesundheitspolitischen Vorgaben soll im neuen Spital die Bettenzahl um weitere 20 Prozent reduziert werden (von einer im Vergleich zur Schweiz sowieso schon sehr niedrigen Bettenzahl), die Verweildauer auf drei Tage gesenkt und die Anzahl der ambulanten Behandlungen um 50 Prozent erhöht werden. Ausserdem werden Prozesse beschleunigt. Deutlich wird dies in der Zentralen Notaufnahme, die bereits mit den Strukturen des neuen Spitals in Betrieb ist. Patienten werden maximal vier Stunden in der ZNA behalten. In dieser Zeit wird die gesamte Akutdiagnostik durchgeführt.
Zudem wird auch hier auf Automatisierung gesetzt: Der horizontale Transport wird über automatische Warentransportsysteme geführt, alle vertikalen Transportströme über automatisierte Lagersysteme und Rohrpostsysteme.
Grösstes Bauprojekt in Nordeuropa
Beim Universitätsspital Det Nye (DNU) in Aarhus, Dänemark, handelt es sich gegenwärtig um das grösste Bauprojekt in Nordeuropa (Architekturbüro C. F. Møller). Es wird in elf Teilbereichen erbaut, die zwischen 2012 und 2018 fertig gestellt sein sollen. Das DNU wird in einer sehr flachen Struktur gebaut, in der die einzelnen Kliniken mit eigenen Eingängen versehen und so den Patienten direkt zugänglich sind. Die Struktur hatte sich im alten Spital bewährt und wurde auf den Neubau übertragen. Auch in Aarhus wird deutlich, dass die moderne Technologie auch für die Patienten eine grosse Rolle spielen wird: Mit einer eigenen «Spital-App» werden die Patienten durch das Krankenhaus geführt und haben ausserdem über die App Zugang zu den verschiedenen Serviceleistungen des Spitals. IT-Unterstützung erhalten ausserdem die Aufnahme, Patientenruf, Monitore, Tracing etc.
Handwerker mit Tablets
Das Spital Nya Karolinska Solna (NKS) in Stockholm ist das erste PPP-Projekt Schwedens. Die Baukosten für das neue Universitätsspital werden sich auf knapp zwei Milliarden Euro belaufen. Das Projekt umfasst Facility Management für den Betrieb des Hauses bis einschliesslich 2040, inklusive einer Option, für weitere 15 Jahre zu verlängern. In Stockholm war die Baustelle des neuen Universitätsspitals schon allein aufgrund seiner schieren Grösse (1700 Betten, zusätzlich noch Forschung und Lehre) beeindruckend. Für die Planung wurden 6000 Stunden in Workshops aufgewendet, in die auch Patienten integriert wurden.
Die ersten Patienten werden bereits im kommenden Jahr aufgenommen, so dass auf der Baustelle schon viel Konkretes zu erkennen war. So gibt es zum Beispiel gemeinschaftliche Arbeitsräume, die vom gesamten Personal genutzt werden können und weder einer Person noch einer
Abteilung zugeordnet sind. Auf der Baustelle des Karolinksa konnte man auch den Einsatz von BIM am deutlichsten wahrnehmen: Alle Handwerker waren mit Tablets ausgestattet, auf denen die Pläne permanent aktualisiert vorlagen. Änderungen während der Bauphase können
so aktuell von allen involvierten Parteien gleichzeitig umgesetzt werden.
Kurze Wege Norwegen
Das 2011 fertig gestellte Spital Akershus University Hospital (Det Nye Ahus) beim norwegischen Oslo zählt zu den modernsten Europas (Architekturbüro C. F. Møller). Besonderer Wert wurde hier auf kurze Wege und die Vermeidung des typischen Spitalcharakters gelegt. Gleich beim Eingang zeigt sich, wie viel Wert darauf gelegt wurde, dem Haus den Spitalcharakter zu nehmen: Ein Lüftungsschacht wurde als Kunstwerk gestaltet. Betritt man das Gebäude, fällt zunächst die enorme Höhe auf und die sehr helle und luftige Struktur. Die Haupthalle ist wie eine Strasse (Mall) gestaltet, in der sich kleine «Häuschen» für Besucher und Patienten befinden, in denen sich auch Internet-Terminals befinden. WLAN ist übrigens in allen Spitälern in Skandinavien kostenlos verfügbar.
Auch in Ahus wird auf den Einsatz von IT gesetzt. Nach der Verschreibung (Tablet) wird das Rezept automatisch geprüft, die Information gelangt direkt zur Apotheke, dort wird Just-in-Time in Einzeldosen produziert und per Rohrpost wieder an die Station versandt. Administration und Dokumentation erfolgten via Barcode-Scan.
Mehr Dorfplatz als Spital
Die ersten Zentren des St. Olavs Hospitals in Trondheim (Norwegen) waren 2006 bezugsbereit, das gesamte Spital wird in diesem Jahr fertig gestellt (Architekturbüro C. F. Møller). Rund 80 Prozent der alten Gebäude werden dann durch die neuen Gebäude ersetzt sein. Das St.Olavs Hospital ist seinem Anspruch gerecht geworden, von aussen jegliche Spitalstruktur zu vermeiden. Umgebende Strassen wurden in das Konzept integriert. Die Kliniken weisen separate Eingänge auf und die zentrale Grünachse mit einer durchgehenden Strasse wirkt eher wie ein Dorfplatz als Spital.
Dazu gibt es in jedem Gebäude einen grünen Innenhof, der im Sommer rege genutzt wird. Der Einsatz von natürlichen Materialien und offenen Anmeldungen/Tresen unterstreicht den wohnlichen Charakter des Spitals. Die Versorgung der Stationen erfolgt ebenfalls überwiegend Just-in-Time in Schränke, die sowohl vom Flur wie auch vom Zimmer aus zugänglich sind.
Fazit der Studienreise
Auch wenn die Rahmenbedingungen in Skandinavien nicht direkt vergleichbar sind mit denen der Schweiz, liessen sich doch einzelne Aspekte gut übernehmen. Der Einsatz von IT war beeindruckend sowie die erfolgreiche Umsetzung einer Architektur, die eine angenehme Umgebung für Patienten, Besucher und nicht zuletzt für das Personal gestaltet.
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 2 / Mai 2015). Den Artikel als PDF herunterladen.